Der Baltische Weg 2016
Familie Poetzsch teilt Ihre Erlebnisse mit uns
Familie Poetzsch hat sich 2016 auf den Baltischen Weg gemacht und erzählen hier von ihren Erlebnissen:
Die Wetterkarte zeigt: Über dem Baltikum breitet sich ein Hoch mit Namen „Peter“ aus. Was liegt da näher, als den Urlaub diesmal im Norden Europas zu verbringen. Da ist die Sonne für zwei Wochen gleich mitgebucht.
Am Flughafen beschleicht mich ein komisches Gefühl. Ich muss gleich durch die Sicherheitsschranke – zum ersten Mal nach meinen Hüftoperationen. Für alle Fälle habe ich meine Röntgenbilder in meinem Pass stecken. Meinen vom Arzt ausgestellten Ausweis habe ich in der Hektik vor dem Abflug plötzlich nicht mehr gefunden. Also, es piept natürlich aus allen Ecken. Ich gerate in die Fänge einer schmallippigen Sicherheitsbeamtin. Alles wird streng abgetastet, sie zieht am meinem Hosenbund. Hinsetzen, Schuhe aus. „Wo fahren Sie hin?“ Ich fühle mich nahezu bloßgestellt. Dünn antworte ich: „Nach Litauen.“. So muss es wohl bei der Einlieferung ins Gefängnis sein, denke ich.
Ich komme nicht ins Gefängnis, sondern kann den Flieger nach Vilnius besteigen, der Hauptstadt Litauens, die seit 2009 zum Weltkulturerbe gezählt wird. Vilnius, die Welle.
Beim Landeanflug vor uns ein Meer von roten Dächern und Kirchen.
Litauen
Vilnius, die Stadt der roten Dächer und der Kirchenglocken. Gotische Kirchen, deren Türme wie Feuerflammen in den Himmel ragen, Barockkirchen wie Kloster Ettal, russisch- orthodoxe Kirchen. Von überallher sind Glocken zu hören. Wenn du an einem Platz ohne dich umzudrehen stehst, drei Kirchen sehen kannst, dann bist du in Vilnius angekommen.
Bei unserem ersten Spaziergang durch die Stadt sehen wir breite Prachtstraßen, Künstlerviertel, kleine malerische Gassen. Alles beschaulich, nicht protzig, aber europäisch selbstbewusst. Auf die Burg der alten Herrscher Litauens , des Gediminas Geschlechtes, führt ein steiler Weg aus Kopfsteinpflaster. Schon im 13. Jahrhundert thronte die Burg über der Stadt.
Unsere Stadtführerin begrüßt uns in ihrer Heimatsprache, betet gleich in herrlichem Singsang das Vaterunser. Dabei sollen wir hören, wie melodisch die Sprache ist. „Jurate, die Göttin des Wassers“, so lautet der Vorname unserer gebuchten Stadtführerin, möchte damit auch auf die katholische Tradition und die tiefe Religiosität Litauens hinweisen. „Ich habe schon für Angela Merkel gedolmetscht. Sie ist eine nette, sehr natürliche Frau“, erzählt uns Jurate. „1992 konnte sich Litauen aus russischer Herrschaft befreien. Die vielen Kirchen Litauens dienten zu Stalins Zeiten als Lagerräume, bestenfalls als Museen des Atheismus. Seit 2015 können wir auch mit dem Euro bezahlen.“ Litauen zeigt sich für uns als sehr preiswertes Land.
In ganz kurzer Zeit hat sich Vilnius zu einem sehenswürdigen Kleinod des Baltikums entwickelt. Aus unzähligen kleinen Läden sowie großen Schmuckgeschäften blinkt das „Gold des Nordens“, der Bernstein.
Zum Abschied ernennt uns Jurate zu Ehrenbotschaftern Litauens, diesem freiheitsliebenden Land, eingebettet zwischen Polen, Russland, Weißrussland und Lettland.
Ohne Begleitung fahren wir am Nachmittag mit dem Bus, der überall nur einen Euro kostet, auf die andere Seite der Stadt. Hier macht die Stadt keinen mondänen Eindruck mehr. Betonbauten aus den 60er Jahren mischen sich mit Kirchenruinen. Die vielgepriesene „Peter und Paul Kathedrale, das Barockjuwel“, enttäuscht. Erdrückende Putten, Skulpturen und Mariengemälde in wenig ansprechendem Umfeld.
Am nächsten Tag fahren wir an der Memel entlang durch das alte Ostpreußen nach Klaipeda, dem alten Memel.
Die Flagge Litauens weht uns gold, grün, rot entgegen. Golden wie die Sonne, grün wie das Land, rot wie das Blut.
Brände und Kriege haben Litauen überschwemmt. Von 1945 bis 1992 hat Litauen unter russischer Herrschaft stark gelitten. Die alten ostpreußischen Fachwerkhäuser sind inzwischen wieder herausgeputzt. Fast 400 Jahre gehörte das Land der Kuren ja zu Preußen. Aber der Tourismusmagnet ist hier die Kurische Nehrung. Weltkulturerbe.
Eine Fähre bringt uns in Klaipeda über das Haff auf die Landzunge. Von 1930 bis 1932 verbrachte Thomas Mann hier mit seiner Familie die Sommerferien. Tomo Manno nannten die Litauer ihn hier. Sein Ferienhaus wurde von den Nazis, dann von den Russen arg demoliert. Jetzt neu hergerichtet zieht es nicht nur uns an, sondern auch viele Touristen.
Ein eigenartiges Gefühl von Vergänglichkeit, vom Wandel der Geschichte beschleicht einen hier. Eine Straße, die durch Föhren- und Birkenwälder führt, eine alte Handelsstraße bis hin zum gelben Sand der Dünen, zum Tal der Stille . Dann das Tal des Todes, die russische Grenze. Hier darf man sich nicht verlaufen.
Da taucht die Erinnerung an einen pädagogisch unfähigen Erdkundelehrer aus Ostpreußen auf. Aus seiner Heimat vertrieben, traumatisiert, kreiste sein Unterricht meist um Memel, Königsberg und die Kurische Nehrung. Unvergessen ist das Bild eines halb wahnsinnigen Lehrers, unvergessen aber auch der Unterrichtsstoff der 5. Klasse, die Kurische Nehrung.
Wieder zurück in Klaipeda fahren wir an der sog. Bernsteinküste entlang in Richtung Norden nach Palanga. Die Meereskönigin Jurate hat aus Liebeskummer viele Tränen vergossen, die zu Bernstein wurden. Palanga, die mondäne Seestadt an der Ostsee mit dem unglaublich sauberen Strand. Nicht mal eine Kippe liegt hier rum. Man muss überhaupt ein großes Loblied auf das Umweltbewusstsein der Litauer singen. Am Landungssteg von Palanga scheint es einen großen Menschenauflauf zu geben. Eine Musikveranstaltung? Eine Demo? Des Rätsels Lösung sind Hunderte von Fischern, deren Angeln in der Sonne glitzern. Am Angelhaken zappeln und zucken unzählige kleine, hässliche Raubfische, die in Eimern landen oder auch einfach nur auf den Planken. Dazwischen wird Brotzeit gemacht. In Knödelteig eingewickeltes Hackfleisch in Specksoße, die sog. Cepelinas, das Nationalgericht. Der Durst wird mit Wodka gestillt.
Ein Höhepunkt Litauens ist der Berg der Kreuze. Vor der in der Sonne golden leuchtenden Löwenzahnwiese ein Wald von Kreuzen. Kreuze in jeder Größe und Ausführung, mit bunten Rosenkränzen und sonstigen Devotionalien behangen, gehören zum Nationalheiligtum der Litauer. Als Symbol des Widerstands gegen den Zaren und die Sowjets zusammengetragen. Immer wieder wurden die Kreuze von den Sowjets abgeräumt, niedergewalzt. Aber immer wieder pilgerten die frommen Litauer mit ihren Kreuzen hierher. Ein tief verwurzelter Katholizismus auf heidnischem Boden.
Lettland
Nicht nur der Freiheitsdrang der Litauer war stark, auch der der Letten. Eine 600 km lange Menschenkette zog sich 1991 von Vilnius weiter nach Riga, der Stadt des Jugendstils und der Herrschaftshäuser bis nach Tallinn.
Eine großartige Stadt an der Düna, die an Budapest oder Wien erinnert. Gleich am ersten Abend geraten wir in ein altes Kaufmannshaus, in dem getafelt und gleichzeitig mehrstimmig gesungen wird. Die baltischen Länder haben sich ihre Revolution ersungen, so sagt man. Keine Nelkenrevolution, eine Sängerrevolution. „Ja, in den baltischen Staaten wird überall gesungen und getanzt“, so stellt sich Stadtführerin Ilze vor. Ilze, eine liebenswerte Matruschka mit einem unglaublichen Singsang in der Stimme. „Riga ist wie eine schöne Dame, da fragt man nicht nach dem Alter. Aber dennoch, wie alt glauben Sie, ist diese Dame?“ Sie spricht diese Frage nicht, sie singt sie förmlich. „Also, 1201 schon gegründet.“ Jahrhunderte war Riga unter russischer Herrschaft, mal polnisch, mal schwedisch. Im 2. Weltkrieg zerrieben zwischen den Russen und den Nazis. Unabhängig seit 1992. Eine hart erkämpfte Unabhängigkeit. Die Flagge rot- weiß- rot. „Rot wie das Blut, der weiße Streifen in der Mitte das Zeichen der Hoffnung und der Freiheit“, singt Ilze. „Unser Land hat 60% Letten, 40% sind Russen.“
Lettland ist seit der Reformation im Gegensatz zu Litauen protestantisch, aber auch wieder mit stark heidnischem Urgrund. Der 4. Mai, der Tag der Unabhängigkeit von den Russen, wird als Riesenfest gefeiert. Immer spielte der Handel eine große Rolle, der Handel mit Hamburg und Lübeck. Als Partnerstädte haben sich die Letten Bremen und Rostock gewählt. Ilze zeigt uns auch, wo man günstig Bernstein kaufen kann, führt uns in lettische Trachtenläden. Leider kann sie sich solche Kleider nicht leisten, erzählt sie. 31 Touren aus den jeweiligen Kreuzfahrschiffen muss sie im Sommer führen. Jetzt schieben sich schon Touristenmassen durch die Altstadt, die zum Unesco – Kulturerbe gehört. Ja, auch Lettland muss Asylanten übernehmen, 560 in den nächsten zwei Jahren. Aber die Flüchtlinge wollen nicht nach Lettland, weil es dort so kalt sein soll. Minus 20 Grad kann es schon im Winter werden. Bei 2,1 Mill. Einwohnern ist Lettland das verkehrsärmste Land Europas. Dazu viele Geschwindigkeitskontrollen.
Riga bleibt mir in sehr guter Erinnerung, schon auch deshalb, weil mir ein aufmerksamer Hotelangestellter mit meinen Wanderschuhen in der Hand nachläuft, gerade als wir Riga verlassen wollten. Glück gehabt.
Ohne Wanderschuhe hätten wir keine Freude im Gauja Nationalpark gehabt.
Unser Reisebüro hatte uns als nächstes Quartier einen Gutshof ausgesucht. Gottverlassen, unglaubliche Stille. Wir erschrecken erst mal ein bisschen. Wir sollen uns da wohl von den Städten erholen. Na ja, das Wetter ist ja herrlich, kann man ja wandern.
Der Gutshof, ursprünglich im Besitz von Deutschbalten, entpuppt sich aber sehr schnell als traumhaftes Herrenhaus inmitten von Obstbäumen, Blumenwiesen und Fischteichen. Ein langer Holzsteg inmitten von Narzissen führt in die dazugehörige Sauna. Auf Holztischen unter blühenden Apfelbäumen sind rot karierte Decken ausgebreitet. Die Hotelbesitzerin kredenzt uns selbstgekelterten Apfelsaft, während Störche über uns hinwegfliegen und aufgescheuchte Rehe davonstauben.
Wir sehen erstaunt viele Pläne und Fotos, deutsch beschriftet, im Haus hängen. Deutschbaltische Familien waren hier noch bis 1923 ansässig. Der Ort, der früher Karlsruhe hieß, wurde zu „Karli“. Vom einstigen Gut ist nur die Arbeiterherberge wieder aufgebaut worden. Der ehemalige Besitzer des Herrenhauses war berühmt für seine Gartengestaltung, erfahren wir von der jungen Hausherrin. Nur die Obstbäume sind noch erhalten; die Idee des einstigen traumhaften Gartens, die Landschaft, die Seele des Ganzen scheint noch dort zu weilen.
Vogelgezwitscher und Kuckucksrufe begleiten uns bei unserer Wanderung entlang am Flussbett der Amata. Die Livländische Schweiz wird diese Landschaft auch genannt. Leuchtend rote Sandsteinfelsen ragen am Flussufer auf. Überall haben die Biber hier Bäume gefällt, sauber abgenagt, nur noch Bleistiftspitzen hinterlassen, als hätten die Biber hier mit Riesenspitzern gearbeitet. Die Maiglöckchen stehen kurz vor der Blüte.
Im Nachbarort Cesis scheint die Zeit stillgestanden zu sein. Staunend stehen wir vor Gebäuden aus den letzten Jahrhunderten, vor Holzhäusern, Barock- und Jugendstilbauten und vor Burgen, die im 16. Jahrhundert niedergewalzt wurden. Vieles wird hier mühevoll restauriert. Konstant ist nur das schwarze Schwanenpaar mit dem feuerroten Schnabel, die jedes Jahr wieder den kleinen See aufsuchen. Vor der Burgruine ein Amphitheater umrahmt von alten Steinskulpturen. Zertretene Maikäfer am Boden. Cesis, eine Stadt im Dornröschenschlaf. Die schwarzen Schwäne sicher verzaubert. Ganz in der Nähe treffen wir auf archäologische Fundstätten aus der Steinzeit, auf Pfahlbauten in einem See und auf eine Burgruine aus dem Mittelalter, als Spielplatz neu gestaltet.
Estland
Das kleinste der baltischen Länder ist Estland mit nur insgesamt 1,2 Mill.. Ein Drittel davon ist in Tallinn ansässig. Alles kommt mir hier ein bisschen europäischer vor. Estland wurde schon 1995 in die EU aufgenommen. Alle baltischen Sprachen sind unterschiedlich. Die estische Sprache ähnelt der finnischen, auffallend viele Wörter, die ein „Ü“ enthalten. Die Wiege des Sängerfestes und zugleich der Demokratie ist in Tartu, das ehemalige Dorbart. Die intellektuelle Stadt mit großer Universität und großem Ruf. Tartus Flair und seine Internationalität sind in jedem Cafe und Restaurant spürbar.
Dann der Kontrast im Osten Estlands, 50km vor der russischen Grenze. Wildromantisch und stürmisch zeigt sich der Peipussee an diesem Tag. Wie ein schwarzes, einsames, tosendes Meer, zweigeteilt durch die beiden Länder, Estland und Russland.
Wir ziehen die Ostsee vor, die Küste im Norden, den Lahemma- Naturpark. Vor uns das älteste, barocke Herrenhaus Estlands. Eine großartige Klosteranlage mit barockem Gutshaus, ein gepflegter Park mit angrenzendem Wald. Unser gebuchtes Zimmer ähnelt einer feudalen Mönchsklause, in einem Kräutergarten gelegen. Die Speisekarte, ein Gedicht. Landestypische Biere für Liebhaber dieses Getränks.
Föhren und Fichten weisen den Weg zum Strand. Der Wald beherbergt noch Bären, Luchse, Wölfe und Wildschweine. Auf der Speisekarte gestern fiel uns ein Bären- Gericht auf. Das kostete allerdings 20 Euro, dreimal so viel als alle anderen Speisen. Aber wir hören hier, Gott sei Dank, nur Vogelgezwitscher. Da öffnet sich plötzlich vor uns die Ostsee. Mittendrin riesige Findlinge zu Land und in der See, Überbleibsel der Eiszeit. Während der Eiszeit schoben Gletscher von Finnland diese gewaltigen Steine vor sich her. Viele Bewohner haben in ihrem Garten noch mehrere solcher Felsbrocken liegen. Diese Jahrtausend alten Findlinge sind steinerne Zeugen einer erdrückenden Zeit. Meterhohe Drahtzäune und Kontrolltürme zogen sich während der Sowjetzeit am Strand entlang. Ein Gefängnis, dem keiner entfliehen konnte. Keine Wachsoldaten mehr, dafür ein Vogelschutzgebiet inmitten von Sumpfdotterblumen und Strandgras.
In Tallinn, dem ehemaligen Reval, empfängt uns lebendiges Mittelalter.
Hier brauchen wir auch keinen Leihwagen mehr. Es geht ja jetzt zu Fuß und per Schiff weiter.
Das Mittelalter können wir gleich beim Abendessen in der „Olde Hansa“ erleben, einer dunklen, nur mit Kerzenlicht beleuchteten Kneipe. Das uns zugewiesene Scharfrichtertischchen lehnen wir ab. Ausgeschenkt wird Honigbier, Kräuterbier, Pfefferschnaps. Das Mittelalter präsentiert sich international.
Tiina, eine freundliche Estin, holt uns am nächsten Morgen im Hotel ab. „Gehen wir ein bisschen spazieren.“ Sie hat nicht nur Germanistik, sondern auch Kunstgeschichte studiert. Von Ihr erfahren wir, wie sich die Kunstgeschichte durch alle Epochen in Tallinn zieht. Tallinn, das im Krieg fast nicht zerstört wurde. Die älteste Kirche, Hlg. Geist, um 1350 erbaut, ist komplett erhalten. Beim Anblick der Holzschnitzereien, der Gemälde und des Altars bleibt uns vor Staunen der Mund offen stehen. Die Deutschbalten machten mit den Zaren gute Geschäfte, so dass die deutschbaltischen Geschäfte bis 1940 erhalten bleiben konnten. Die Sowjets verbannten die komplette estnische Intelligenz nach Sibirien. 1991 wurde Estland unabhängig. 1992 zogen die Sowjets endgültig ab. Die estnische Flagge weht über uns blau- schwarz- weiß. Blau wie der Himmel, schwarz wie die Erde und weiß wie die Tugend. Tiina betont immer wieder den Fleiß der Leute hier. Stolz präsentiert sie ihr Land, in dem wie in allen baltischen Ländern, die Familie eine große Rolle spielt.
„Wir haben es so weit gebracht, auch bei minus 30 Grad kommen wir zurecht. Wir ziehen uns warm an und schaffen so die kalte Jahreszeit. Am schönsten ist es, wenn wir bei minus 10 Grad Schifahren können.“ Tiina lockt uns in viele landesübliche Geschäfte, z.B. in eine Marzipanbäckerei, die seit 1864 bis 1940 von Deutschbalten geführt wurde. „Terre, das heißt Willkommen. Man antwortet mit Terre, Terre“. Das können wir jetzt gleich anwenden beim Besuch vieler Läden der Handwerkskunst, auf dem Markt, in der russisch- orthodoxen Kirche, vor dem Parlament. 2018 wird der estnische Präsident EU- Ratsvorsitzender. Auf Kopfsteinpflaster marschieren wir von der Unterstadt in die Oberstadt. „Unten wird das Geld verdient, oben wird es ausgegeben.“ In Tallinn steht die älteste Apotheke Europas. Meine Blutdrucktabletten bekomme ich dort nicht, denn hier kennt man keine Privatrezepte.
Am 24. Juni wird der Mittsommertag gefeiert. Ein großes Familienfest auf dem Land. Die ganze Nacht über wird gefeiert am Lagerfeuer. Für einen Moment küssen sich die Nacht und der Tag, wenn die Nacht in den Tag übergeht.
Tiinas Tochter studiert in München. Bei einem gemeinsamen kleinen Essen, zu dem wir Tiina einladen, kommen wir uns näher in dieser liebenswerten Stadt.
Finnland
Die Fähre nach Helsinki scheint in der Hauptsache ein Alkohol- Transporter zu sein. Auf Sackkarren wird kistenweise Bier, Schnaps, Alkohol aller Art geladen. Das Schiff, ein riesiger Supermarkt. Alles zollfrei. Alkohol ist in Finnland teuer.
Ein hünenhafter Finne kutschiert uns mit dem Taxi zu einem traumhaft schönen Jugendstil- Hotel. Ich hatte mir vorgenommen, in Helsinki ein Konzert zu besuchen. Und das klappt tatsächlich. Gleich neben dem Hotel befindet sich die riesige moderne Konzerthalle, kreisförmig angelegt, mit wunderbarer Akustik. Da erleben wir eine sehr moderne Aufführung, in München vielleicht gar nicht möglich.
Wahrzeichen Helsinkis ist der weiße Dom. Nicht minder aufregend schön die russisch- orthodoxe Kirche mit den 13 vergoldeten Kuppeln, wo wir mit vielen anderen die Pfingstmesse feiern. Die Felsenkirche, der Marktplatz, Touristenmagnete mit internationalem Flair. Helsinki, großzügig, weit, unvergesslich.
Schweden
Die Fähre, die uns nach Stockholm bringt, gleicht einem riesigen Kaufhaus, Vergnügungs-und Fresszentrum.
Stockholm, auf 14 Inseln gelegen, ist die größte der von uns besuchten Städte. Warm scheint die Sonne auf die hohen klassizistischen Häuser. Beim Anblick der Häuser kommen mir plötzlich Harry Potter und Hogwarts in den Sinn. Auf der einen Seite die mittelalterliche Altstadt mit den verwunschenen Gassen, auf der anderen Seite eine Hightech- und Nobelpreis- Stadt mit rasenden Rolltreppen. Stockholm, die Königin des Nordens.
Am Flughafen in Stockholm überfällt mich wieder dieses eigenartige Gefühl. Gleich muss ich wieder durch die Sicherheitsschranke. Aber diesmal verläuft alles ganz stressfrei. „Operation?“, fragt mich der Sicherheitsbeamte. Als ich nicke, tastet mich eine nette Frau vorsichtig ab. Erleichtert drücke ich auf einen Button, wo ich meine Zufriedenheit mit dem Sicherheitscheck ausdrücken kann.
„Sehr zufrieden“ waren wir aber nicht nur am Flughafen in Stockholm.
Der Baltische Weg ist eine Reise wert - noch dazu, wenn das Hoch „Peter“ darüber liegt.